Andacht 1. Advent
Lebkuchen, Zimtstern, Kinderpunsch. Dominostein, Glühwein, Schokonikolaus und Marzipan. Endlich.
Darauf hab’ ich gewartet. Weihnachtsbasar der Ev. Gemeinde Thessaloniki, auf dem es das gibt.
Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Und jetzt: Endlich wieder Lebkuchen. Also guten Gewissens, ohne protestantische Vorbehalte. Man kann den Lebkuchen ja schon seit Mitte August kaufen. Aber Advent ist nun mal erst jetzt. Und zwischen August und dem 1. Advent klafft dann entweder die Lücke der Enthaltsamkeit. Oder die Lücke des schlechten Gewissens.
Sagen Sie mal: „Wann haben Sie in diesem Jahr den ersten Lebkuchen gegessen? Im August, im September, im Oktober?“ Nein, antwortenA Sie bitte nicht. Wobei … ich weiß auch grad nicht, wann ich in diesem Jahr den ersten Lebkuchen gegessen habe.
Na ja … Jetzt im Advent ist es ja auch egal. Ab jetzt kann man auch kirchenkalendarisch gerechtfertigt Lebkuchen essen.
Denn nun beginnt sie: Die Fastenzeit. Die Fastenzeit bis Weihnachten.
Eigentlich ist die Adventszeit eine Fastenzeit. Die meisten Leute beginnen ihre Diät aus guten Gründen erst nach Weihnachten. Aber es ist nun mal so. Adventszeit ist Fastenzeit. Also - theoretisch. Und ich erinnere mich an Gespräche in den Vorbereitungen des Basars, dass einige erzählten, dass die Plätzchen zu Hause zwar schon gebacken, aber erst zu Weihnachten verschmaust werden durften.
Jetzt können Sie fragen: „Was soll denn das? Wozu denn jetzt Fastenzeit? Weihnachten ist schließlich nicht Ostern!“
Das stimmt. Weihnachten ist wirklich nicht Ostern.
Aber wie zu Ostern hat man vor das Fest eine Fastenzeit geschaltet. Zur Vorbereitung. Die Adventszeit, das ist die Zeit der Erwartung. Wir erwarten ja schließlich einen König. Gott stattet seiner Welt in Gestalt eines Menschen einen Besuch ab.
„Siehe, dein König kommt. Hosianna dem Sohn Davids. Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“, so steht es im Matthäusevangelium.
Und wie das so ist, wenn man Gäste erwartet - einen König oder, sagen wir … die Schwiegermutter: Da räumt man halt vorher die Wohnung auf. Und legt ein paar Palmzweige auf den Boden, vielleicht. Nicht, dass die Schwiegermutter geschweige denn der König etwas zu meckern findet. Muss alles schön sein. Ordentlich. Oder wenigstens die großen Schweinereien sollte man beseitigt haben.
Fasten: Das ist so etwas wie ein inneres Aufräumen. Damit der König oder die Schwiegermutter einen dann in Topform vorfindet. Und das Urteil dann möglichst gnädig ausfällt.
Jetzt werden Sie einwenden: „Na gut, wenn es sein muss: Adventszeit gleich Fastenzeit.
Vielleicht ist das mal so gewesen.
Ist es dann nicht unlogisch, dass dann die Lebkuchen ausgerechnet in der Adventszeit erlaubt sind? Ist das nicht inkonsequent? Lebkuchen sind nicht eben kalorienarm, oder?“
Lebkuchen aber ist nun mal erlaubt. Lebkuchen ist eine traditionelle Fastenspeise. Also: Wenn Sie in der Adventszeit ordentlich Lebkuchen essen, können Sie immer noch sagen, Sie fasten. Praktisch, oder? Sie dürfen halt nur nicht glauben, Sie nähmen davon ab.
Und aufgepasst: Klassischerweise tranken die Menschen zum Lebkuchen in der Fastenzeit auch noch ordentlich Starkbier. Bier, das wissen Sie, ist ja ein Fastengetränk. „Flüssigbrot“.
Ja, die Mönche und Nonnen wussten schon, wie das ging mit dem Fasten. Das mit dem Bier zum Lebkuchen ist heute eher unüblich, wobei … Ob man das Starkbier durch Glühwein ersetzen kann … Ich weiß es nicht … (Beim Basar können wir es versuchen!) Wie auch immer:
Dass Lebkuchen als Fastenspeise gilt liegt an den Gewürzen. Ich weiß gar nicht, was alles drin ist - Ich mag sie essen, aber nicht backen. Vielleicht sollten wir die fleißigen Damen, die in den letzten Wochen für uns gebacken haben, mal fragen. Den Gewürzen werden in jedem Fall reinigende Kräfte nachgesagt. Und deshalb tragen Lebkuchen, wegen der „inneren Reinigung“ zur Vorbereitung auf die Ankunft des Königs bei. „Siehe, dein König kommt …“ Und vorher isst du besser erst noch mal ein Lebkuchen …
Vielleicht ist es auch gar nicht so wild, wenn man mit den Lebkuchen Mitte August beginnt. Dann ist der Reinigungszeitraum länger! Wer weiß, wie das innere Haus im Einzelfall aussieht?
Übrigens: Dass Lebkuchen bei uns in der Adventszeit auftauchen, ist historisch eher eine jüngere Erfindung. Ursprünglich gab es Lebkuchen auch in der Fastenzeit vor Ostern. Eigentlich gab es Lebkuchen sogar das ganze Jahr. Die Mönche und Nonnen haben sie gebacken. Und weil sie wegen des großen Zuckergehaltes so lange haltbar waren, konnten sie gut lagern. Und dann, wenn die Menschen aus irgendeinem Grunde nicht genug zu essen hatten, sind die Mönche und Nonnen mit dem Lebkuchen gekommen und haben den Menschen zu essen gegeben. Auch jenseits der Adventszeit. Na, und was früher die Klöster waren ..., das machen heute eben Lidl oder Masoutis oder andere.
Lebkuchen ist eigentlich ein Fastengebäck. Das zur inneren Reinigung helfen sollte.
Zur inneren Vorbereitung auf den König. „Siehe, dein König kommt“ – und ja alles schön in Ordnung bringen, aufräumen, dass der König uns in Topform vorfindet. Das klingt jetzt so, als müssten wir uns vor diesem König in Acht nehmen.
Aber:
Was, wenn einer/eine sich nicht ausreichend vorbereitet hat? Wenn das innere Haus noch total zugemüllt ist? Und der König dann kommt. Was dann? Ist dann das große Donnerwetter zu erwarten? Oder ist dann buchstäblich die Hölle los?
Bei einem klassischen König wäre das zu erwarten. Der mit wehenden Fahnen und Säbelgerassel und donnernden Hufschlägen kommt. Gewaltig und mächtig und stark. Vielleicht müssten wir so einen König tatsächlich fürchten.
Allerdings ist der König, den wir zu Weihnachten erwarten, ein anderer:
„Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der?“
Siehe, dein König kommt zu dir – sanftmütig“.
Und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Und lässt sich gebären und in Windeln wickeln und in eine Krippe legen. Der König, den wir erwarten, zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er mit eiserner Faust durchregiert.
Vor ihm muss man sich nicht fürchten. Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, seine Königskrone ist Heiligkeit. Sein Zepter ist Barmherzigkeit. Wie ein Kinderlächeln.
Deshalb braucht es streng genommen auch keine Lebkuchen mehr in der Adventszeit. Also jedenfalls nicht, weil der König einen nur im gereinigten Zustand akzeptiert. Aber vielleicht kann der Lebkuchen dabei helfen, sich bewusst auf den Gast einzustellen. Fürchten muss man ihn nicht. Man darf sich auf ihn freuen. Und Vorfreude ist ja die schönste Freude. Und als Vorgeschmack – als Vorbereitung auf den König, der kommt – lassen wir uns den Lebkuchen schmecken. Lebkuchen nicht aus Angst. Lebkuchen aus Nüssen und Gewürzen … und: aus Vorfreude.